Wie wird Real World Data zu Real World Evidence

Diese Veranstaltung fand in Kooperation mit der Medizinischen Universität Wien statt

Zu diesem aktuellen Thema fand am 25. November 2021 eine online-Veranstaltung der GPMed statt, die folgende Aspekte des Themas abdeckte:

  • Real World Data und die Rolle von Patient*innen (Univ. Prof. Dr. Tanja Stamm)
  • Nutzen und Qualität von Real World Data in Österreich: Industrie Perspektive (Mag. Bernhard Mraz)
  • Real World Data aus Behördensicht – Ein Überblick über europäische Initiativen (DI Arnold Herzog).

Im ersten Vortrag erläuterte Tanja Stamm, wie wichtig die Rolle der Patienten und Patientinnen ist. Das erfordert einen Perspektivwechsel, um die Bereiche abzudecken, die im Krankheitsfall wichtig sind. Fragen wie z.B. Lebensqualität sind umso wichtiger, je länger die Analyse angesetzt ist. Damit eng einher geht die Kommunikation des Nutzens und das Aufbauen von Vertrauen (Stichwort: Datenschutz).

Verlässliche Real World Daten (RWD) erhält man am zuverlässigsten mit patienten-orientierten und outcome-standardisierten Fragebögen, wobei besonders generische Fragebögen zum Vergleich verschiedener Krankheitsbilder gefragt sind, z.B. Schmerz immer mit gleicher Methodik messen. Klinische Fragebögen blenden oft wichtige Aspekte des Patientenlebens aus wie Müdigkeit, Sexualfunktion, etc. Daher sollten Patienten auch mitreden können und Zugang zu den Daten haben, auch um auch für sich selbst Vergleiche zu anderen aggregierten Datensätzen zu ermöglichen. Sinnvollerweise sind daher die Datensysteme bei nationalen Behörden verankert. Die Aufzeichnung der Daten erfolgt bevorzugt über Apps; dafür gibt es gerade in Österreich ein hohes Maß an Bereitschaft.

Ihr Fazit lautete: Real World Data liefern Einsichten, die über Erkenntnisse aus randomisierten klinischen Studien hinausgehen und ergänzen diese auf eine sinnvolle Art und Weise.

Bernhard Mraz begann seinen Vortrag aus der Industrieperspektive mit der Feststellung, dass Real World Evidenz (RWE) ja nichts Neues ist: wir verwenden diese z.B. seit Jahren post-marketing, in Fallberichten und nicht-interventionellen Studien. Es gibt aber gute Gründe, warum RWE gerade jetzt so wichtig geworden ist:

  • Ressourcennutzung und –verteilung
  • Alternde Demographie mit multimordbiden Kranken
  • Health Technology Assessments werden immer anspruchsvoller.

Obwohl randomisierte klinische Studien der Goldstandard bleiben werden, hat dieses Format Lücken z.B. bei der Wirksamkeit in der Gesamtbevölkerung und der Wirkung in unterschiedlichen Ländern. Mittlerweile werden ja auch Substanzen ohne randomisierte Studien zugelassen, wie bei der personalisierten Medizin in der Onkologie.

Daher werden auch neue Datenquellen erschlossen, wie z.B. soziale Medien, Netzwerke oder Blogs. damit wird die Datenanalyse aber auf eine neue Dimension gehoben, weil große unstrukturierte Datenmengen zu verarbeiten sind. RWE ist weiters über den gesamten Lebenszyklus eines Produktes gefragt (Stichworte: Patientenadhärenz, Langzeit-Effekt, Subpopulationen, …) und wird zunehmend wichtiger für Entscheidungen im Gesundheitswesen.

Österreich ist bei der Verfügbarkeit und reife der Daten im Mittelfeld und dies obwohl wir viele Daten sammeln. Akademisch werden diese Daten z.B. in „Health Outcome Observatories“ (H2O) gesammelt. Motto: Put the patient in the center of the healthcare system! Damit einhergehend: Initiative an die Patienten übertragen, die auch direkt Daten ins System einpflegen. Somit könnten wir eines Tages alle online Zustände auslesen, was letztlich für Pharma genauso interessant ist, wie für Patienten selbst.

Sein Fazit lautete: deshalb haben Initiativen wie H20 das Potential einen Wandel in der Wahrnehmung von Patientendaten, deren Nutzung sowie zur Verbesserung der Patientenversorgung herbeizuführen und wird daher von Seiten der Pharmaindustrie und ihren Interessensvertretungen wie Pharmig aktiv unterstützt.

Es ist daher logisch, dass sich auf dem Gebiet der RWE europäische Initiativen gebildet haben, wie im Vortrag von Arnold Herzog ausgeführt wurde. Europa hat hier Nachholbedarf an standardisierten Datensets für den Austausch, was in einer neuen Datenstrategie zum Ausdruck kommt. Deren Eckpfeiler lauten: Verfügbarkeit – Qualität – Datenschutz – Analysekompetenz. Zu diesem Zweck hat Europa neun Datenräume definiert, mit einem Health Data Space zum sicheren und effizienten länderübergreifenden Austausch von Gesundheitsdaten, denn Datenschutz mündet letztlich in Patientenakzeptanz.

Die EMA hat ihre Netzwerkstrategie adaptiert, um verstärkt RWD/RWE einfließen zu lassen, z.B. nach der Arzneistoffzulassung zur Überwachung von Sicherheit und Wirksamkeit. Damit einhergehen neue Herausforderungen. Die EMA Big Data Steering Group hat daher zehn Empfehlungen verfasst um kompetitiv zu sein und dies in einem Arbeitsplan proaktiv bis 2023 verankert. DARWIN (Data Analytics and Real-World Interrogation Network) ist eine dieser Initiativen, die diesen Herausforderungen gerecht werden soll.
Die Slides dieses Vortrags sind nur für Mitglieder abrufbar. Den Link erhalten Sie wenn Sie Mitglied werden.

Wie kommen wir von RWD zu RWE?

  • Analyse unterschiedlicher Quellen
  • FAIR Prinzipien sichern die Qualität der Daten
  • Transparente Analysealgorithmen.

Sein Fazit lautete: RWE kommt und muss auf nationaler Ebene umgesetzt werden – der Bedarf ist eindeutig vorhanden!

Zusammenfassend lässt sich feststellen: es gab eine große Übereinstimmung in der Notwendigkeit, das große Thema „von Real World Data zu Real World Evidence“ anzugehen. Ebenso groß war die Übereinstimmung, dass noch viel zu tun ist, weil es in einer derart komplexen Problemstellung keine einfachen Antworten geben. Alle Facetten und Bedürfnisse zu berücksichtigen wird aber notwendig sein, um das nötige Vertrauen zu schaffen und das grundlegende Zutrauen zu erzeugen, dass hier alle Beteiligten gewinnen können.

 
Koordinationszentrum für Klinische Studien, 1090 Wien, Kinderspitalgasse 15
Tel (+43-1)40160 25176, kks@meduniwien.ac.at, http://www.meduniwien.ac.at/kks