Patientenrekrutierung 4.0 –
Die Rolle von Social Media & Co

Veranstaltungsbericht

Am 7. Juni 2018 fand in Zusammenarbeit der GPMed mit der MedUni Wien eine Veranstaltung zum Thema „Patientenrekrutierung 4.0 – Die Rolle von Social Media & CO“statt. Eingeladen waren dem bewährten Format unserer Veranstaltungstradition folgend mehrere Sprecher, um dieses Thema aus verschiedenen Blickwinkeln zu beleuchten und die abschließende Podiumsdiskussion zu inspirieren.

Nach der Begrüßung durch Prof. Garhöfereröffnete Dr. Martin Steinhart (Mein Wunsch Patient, Sulz) die Vortragsreihe mit dem Thema „Online erfolgreich neue Patienten aufbauen – Automatisiert – 24 | 7 – Jeden Tag“. Ausgehend von einer sehr regen Beteiligung an den sozialen Netzwerken – alleine in Österreich und Deutschland sind 29 Millionen Menschen täglich auf Facebook aktiv – ergeben sich bisher kaum genutzte Möglichkeiten der Patientenrekrutierung. Patienten aufbauen heißt zuallererst die passenden Patienten zu finden: von den oben genannten 29 Millionen interessieren sich 4 Millionen für das Thema Medizin. Dieses Interesse muss kanalisiert werden (genannt TRAFFIC), dh. ich muss die interessanten und interessierten Patienten gezielt auf meine Seite lenken, dann aber dafür sorgen, dass sie dort auch für sich selbst Wichtiges vorfinden und sich angesprochen fühlen (genannt CONVERSION). Erst das Zusammenspiel beider Komponenten ist erfolgversprechend. Dafür ist wichtig, dass der Patient seinen Nutzen erkennt. Dies wiederum schafft eine Kommunikation, die von der Beschreibung der Eigenschaften weg zum direkten Nutzen übergeht. Im online TRAFFIC hat sich Pay per Click (PPC) mit hoher Reichweite und hoher Spezifität bewährt, wie Dr. Steinhart am Beispiel „SURVIVA 2018“ zeigen konnte. Bei diesem online Symposium zum Thema Brustkrebs wurden über PPC 653 Teilnehmerinnen innerhalb von drei Wochen erreicht, wobei der Aufwand am Ende weniger als 2 € pro Person betrug – eine unschlagbare Effizienz in der Bewerbung!

Um eine direkte Form Patienten anzusprechen ging es auch im zweiten Vortrag von Dr. Nikolas Offenhauser (Medizinischer Leiter Viomedo UG, Berlin) mit dem Titel „Internet-basierte Patientenrekrutierung“. Da die Ansprüche an klinische Studien immer höher werden, wird es auch zunehmend schwieriger Patienten zu finden, wofür Einschlusskriterien, Regularien aber auch komplexe Studiendesigns verantwortlich sind. Viomedo sammelt Daten interessierter Patienten und bündelt diese auf der Plattform. Über Abfragen / Entscheidungsbäume gelangt der Patient zur Auswahl einer passenden Studie, wobei die Information dazu laientauglich verfasst ist. Dies funktioniert deshalb, weil große Pharmafirmen ihre Studien auf dieser Plattform darstellen, sodass auch ein entsprechendes Angebot herrscht. Mittlerweise sind in Deutschland 34000 Patienten registriert, für Österreich gibt es zurzeit hingegen nur begrenzten Zugang. Flankierend wird seitens Viomedo mit Patientengruppen und Netzwerken zusammengearbeitet. Nach einem Screening werden die Patienten telefonisch befragt und erst dann wird der vorselektierte Patient an das Studienzentrum überwiesen. Dabei ist trotz aller Sorgfalt die Ausfallsquote sehr hoch. So sind in einer spezifischen Indikation von 723 vorgescreenten Patienten letztlich nur 31 ans Zentrum gelangt, von denen wiederum 10 randomisiert werden konnten. Ein wichtiger Aspekt in diesen Reibungsverlusten ist die Kommunikation seitens der Studienzentren, die zumeist organisatorischer Natur sind und für etwa 40% der Ausfälle verantwortlich zeichnen. Es gibt also etliche Punkte, wo noch deutlich nachgebessert werden kann, da diese Art der Rekrutierung sicher Zukunft hat.

Auf ähnliche Erfahrungen aus der Sicht eines aktiven PI konnte Prof. Bernd Jilma (Universitätsklinik f. Klinische Pharmakologie, Medizinische Universität Wien zum Thema „Online-Patientenrekrutierung aus der Sicht des Investigators“ berichten. Es wies darauf hin, dass der Zuspruch über das Netz dann gut ist, wenn der Text gut formuliert ist. Dieser grundsätzliche Erfolg wiederum verursacht am Zentrum Stress, weil eine Menge Probanden zu kontaktieren sind, wofür die Institution wiederum nicht eingerichtet ist. Weiters ändert sich auch die Position: als anrufender Prüfarzt bin ich mit einem Mal „Bittsteller“, weil der Proband ja letztlich ein Angebot an mich hat. Prof. Jilma unterstreicht die hohe Ausfallrate, die er an den Studienbeispielen Neurodermitis und Diabetes festmacht: einem sehr hohen organisatorischen Aufwand stehen in der Regel nur wenige Patienten gegenüber, die letzlich in die Studien eingeschlossen werden konnten. Deshalb sein Fazit: diese Form der Rekrutierung besonders für gesunde Probenaden geeignet, aber derzeit noch nicht optimal für Patienten. Die Methode hat Potential, aber auch noch viel Raum für Verbesserung.

Da Datenschutz in diesen sensiblen Bereichen ja immer ein zentrales Thema darstellt, hat abschließend Mag. Markus Kastelitz (Research Institute AG & Co KG, Wien) über „Datenschutzrechtliche Grundlagen“ referiert. Zu Beginn betont er, dass es nicht um den Schutz der Daten an sich geht, sondern um die Wahrung der Privatsphäre, die ein Grundrecht darstellt. Vieles aus der jetzt angelaufenen Datenschutz-Grundverordnung der EU (DSGVO) ist ja inhaltlich in Österreich gar nicht so neu, aber die drohende Sanktionierung der neuen Verordnung zeigt deutlich Wirkung. Besonders geschützt sind neben allen personenbezogenen Daten sämtliche sensiblen Bereiche, wie dies Gesundheitsdaten natürlicherweise darstellen. Die DGSVO gilt sowohl für Daten in elektronischer Form (auch in sozialen Netzwerken!) wie auch in Papierform und bringt deutlich mehr Informations- und Dokumentationspflicht mit sich, was durch eine nachweisliche Rechenschaftspflicht unterstrichen wird. In klinischen Studien sind die Handelnden Sponsor, CRO, Studienzentrum und Patient, wobei die sensiblen Daten zuallererst am Studienzentrum entstehen und dokumentiert werden. Bei der Rekrutierung von Patienten über soziale Netzwerke muss verpflichtend eine Datenschutzerklärung beiliegen, die unter die erweiterte Informationspflicht fällt. Es gibt darüber hinaus eine Fülle nachgeordneter Rechtsgrundlagen, die selbst für einen Juristen nicht immer ganz einfach zu handhaben sind. Wichtig für den PI ist im Rahmen einer Studie es, die Daten baldigst zu anonymisieren, sodass ein Zuordnung der Personen zu den Daten nicht möglich ist. Durch die neue DSGVO hat auch der Sponsor neue Pflichten bekommen, die unter Umständen – wie im Falle der Social Media – auch auf den PI übergehen können.

Auch diese gelungene Veranstaltung zu einem hochaktuellen Themenkreis klang mit persönlichem Netzwerken und vertiefenden Gesprächen mit den Referenten aus, bei denen wir uns nochmals herzlich bedanken wollen. Das war sicher nicht das letzte Mal, das uns diese Fragen beschäftigt haben – hier gibt es noch viele weiße Flecken auf der virtuellen Landkarte, die wir im Sinne verbesserter Rekrutierung für Studien vermehrt nützen können und wollen.

Dr. Martin Steinhart, Mein Wunsch Patient, Sulz

Dr. Nikolas Offenhauser, Medizinischer Leiter Viomedo UG, Berlin

Mag. Markus Kastelitz, Research Institute AG & Co KG, Wien

von links: Prof. Bernd Jilma, Dr. Nikolas Offenhauser, Dr. Martin Steinhart, Mag. Markus Kastelitz