Ohne Forschung kein Fortschritt.
Spielt Österreich noch eine Rolle?

Donnerstag, 26. November 2020, 16:00 via APA Livestream

Die Entwicklung neuer Medikamente, insbesondere von neuen Impfstoffen, war selten so im Zentrum der Aufmerksamkeit wie gerade jetzt. Die Pandemie hat die Bedeutung klinischer Studien bewusst gemacht. Allerdings – spielt Österreich hier überhaupt noch eine Rolle? Dieser Frage stellte sich ein interdisziplinäres Panel in einer – wie kann es derzeit auch anders sein – virtuellen Veranstaltung, organisiert von der MedUni Wien, der GPMed und des FOPI.

Den Auftakt bildete Prof. Dr. Josef Penninger (Leiter des Life Sciences Institute an der University of British Columbia), der über seine aktuellen Forschungen zu einem Medikament zur Behandlung schwerer COVID-Erkrankungen berichtete. Die Phase 2 Studie ist fertig rekrutiert, Ergebnisse werden für Jänner erwartet, ein Fallbericht eines erfolgreich behandelten Patienten aus Wien ist schon publiziert. Penninger betonte, wie wichtig eine exzellente Studienplanung und Durchführung sind – und man sich lieber etwas mehr Zeit lassen sollte, nur so können verlässliche Daten generiert werden, die auch einer Überprüfung standhalten.

Dr. Alexander Dörr (Medical Director Europe South, AbbVie) erklärte den Zusammenhang zwischen R&D in Pharma und der Klinik: Investitionen in R&D sind weit mehr als Discovery Centers und Research Hubs (das „R“), sie bringen die klinische Forschung in die Länder, zu den Ärzten und ihren Patienten (das „D“ für Development). Welche Länder das sind, hängt allerdings sehr von den lokalen Gegebenheiten ab: Länder oder Regionen, wo z.B. aus Datenbanken mittels anonymisierter Patienten-Charts präzise Voraussagen über geeignete Patientenpools oder Zentren getroffen werden können, haben einen Vorteil – Österreich gehört hier leider nicht dazu. Ebenfalls wichtig sind Studienerfahrung, eine entsprechende Infrastruktur (Study Manager, Study Nurses) und eine verlässliche Rekrutierung – Dinge, die Österreich leisten kann, die aber entsprechende Rahmenbedingungen brauchen.

„Wie gut ist Österreich als Forschungsstandort“ war folgerichtig das erste Thema für das Panel: Guter und stabiler Standort, Spezialisten, Expertise, breit verankerter solider medizinischer Standard als Pluspunkte – Aufholbedarf gäbe es bei der internationalen Vernetzung, bei Mechanismen, die einen Übergang von Grundlagenforschung zur klinischen Anwendung erleichtern, und bei einer (erneuten) Etablierung einer Förderung für klinische Forschung. Einigkeit herrschte darüber, dass ein Zurückfallen im Wettbewerb um klinische Studien – und die Zahlen der letzten Jahre sprechen hier leider eine deutliche Sprache – einen enormen Verlust für die Patient*innen darstellt: klinische Prüfungen sind oft ihre letzte Chance.

Was muss sich also ändern? Stichwort Biomedizinische Forschungsexzellenz entwickeln. Gezielte Finanzierung von Leuchtturmprojekten statt Gießkanne, Vorleistung für Infrastruktur, mehr Fokus auf translationale Forschung, um die Kluft zwischen Grundlagenforschung und klinischen Studien/klinischer Anwendung zu überbrücken und lokale Biotech-Industrie aufbauen, das zieht Studien an.

Und gibt es Erfahrungen aus der Pandemie, die auf diesem Weg „zurück“ genutzt werden können? Die aktuelle Aufmerksamkeit gegenüber den Leistungen klinischer Forschung nutzen, um in der breiten Bevölkerung mehr Wissen zu schaffen und Vorurteile abzubauen. Digitalisierung vorantreiben und die vorhandenen „Datenschätze“ nutzbar machen – natürlich unter Wahrung des Datenschutzes und begleitet von transparenter Kommunikation, um Ängste zu nehmen. Die Behörde als Partner involvieren, um die passenden Rahmenbedingungen und Sicherheit zu schaffen. Eine hohe Bereitschaft neue Wege zu gehen, wie virtuelle Kommunikationen, Telekonsultationen und vieles mehr.

COVID hat gezeigt, was Wissenschaft und Technologie leisten können – und wie wichtig Gesundheit ist. Klinische Forschung ist ein grundlegender Baustein, den wir in Österreich erhalten und stärken müssen.

 
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