BASG Gespräch – Klinische Prüfung von Arzneimittelne

Am 23.3. fand die Fortbildungsveranstaltung der GPMed in Kooperation mit BASG, AGES und der Medizinischen Universität Wien statt.

CTR und CTIS – Rückblick auf das erste Jahr

Nach der Eröffnung durch den Präsidenten der GPMed, PD Johannes Pleiner, berichtet Dr. Stefan Strasser, BASG, von den Erfahrungen des vergangenen Jahres mit der neuen Clinical Trials Regulation. Seit 31.1.2023 verpflichtend, wurden seither 60 klinische Prüfungen CTR-konform eingereicht. Laufende Studien (aktuell: 1.400) können noch bis zum 31.1.2025 über EudraCT weitergeführt werden; nach diesem Zeitpunkt endet die Übergangsphase und alle Studien müssen laut der CTR umgestellt werden – die Transition sollte von Studiensponsoren rechtzeitig mitgedacht werden.

„In Österreich sind wir gut aufgestellt“, so Strasser, „die gesetzlichen Rahmenbedingungen wurden geschaffen und die Zusammenarbeit zwischen der Behörde und den Ethikkommissionen steht auf soliden Beinen. Die nationalen IT-Systeme wurden an CTIS angebunden, nationale Leitlinien zur Umsetzung und Verwendung erstellt.“

Nationale Anforderungen im Einreichungsverfahren beziehen sich auf die Sprachanforderungen, nationale Gebühren und die Rechtsmittelverfahren.

Wo liegen die größten Challenges nach einem Jahr Clinical Trials Regulation?

  • Fristen bei der Begutachtung können durch die erhöhten Anforderungen an Koordination und Administration sowie die Grenzen des elektronischen Systems selten verkürzt werden.
  • Eine hohe Zahl an formalen Rückfragen und nationale Anforderungen der Mitgliedsstaaten verlangsamen die Validierung.
  • zahlreiche Herausforderungen bei der Begutachtung (z.B. hohe Zahl an scientific considerations, Problem des „right the first time“, fehlende Harmonisierung der Fristen bei Part I und Part II)
  • unklare Transparenzregeln

Nationale Anforderungen an den Part II

Als Vertreter der Ethikkommissionen stellte Doz. Brunner die nationalen Anforderungen an den Part II, die sich aus der CTR ergeben, vor: Rund die Hälfte, der bisher 60 eingereichten Studien wurden bereits von Ethikkommissionen begutachtet. Das erfordert auch seitens der Ethikkommissionen neue Prozesse:

  • Ersteinreichungen, die unter das AMG fallen, werden nicht mehr über das elektronische Ethikkommissionseinreichsystem bearbeitet – alle anderen Einreichungen laufen weiterhin über dieses System.
  • Fünf Ethikkommissionen (statt bisher sieben) zur Begutachtung von CTR-konformen Studien. Begutachtungen werden nach Plan unter den Ethikkommissionen aufgeteilt.
  • nationale Anforderungen: Neben den Eudralex-Formularen gibt es nationale Anpassungen bei den Informed Consent-Dokumenten (deutsche Version) oder dem Site Suitability Formular (zentrumsspezifische Maßnahmen, neben dem PI sollen alle Sub-Investigator angeführt werden, Angabe eines Deputy’s, der bei Ausfall des PI’s übernehmen kann). Prüfärzt:innen müssen über entsprechende Qualifikationen verfügen. Investigator CV’s müssen künftig nicht mehr unterschrieben werden, eine Datierung ist ausreichend – aber: Das Site Suitability-Formular muss auch weiterhin vom Principle Investigator und dem/der Leiter:in der Krankenanstalt signiert werden (handschriftlich oder elektronisch). Versicherungspolizzen und Versicherungsbedingungen müssen in deutscher Sprache eingereicht werden.

Empfehlungen zur Verwendung dezentraler Elemente in klinischen Studien

Klinische Prüfungen werden zunehmend dezentral durchgeführt. Das heißt, Daten werden nicht mehr ausschließlich am Prüfzentrum erhoben, sondern immer öfter von den Prüfungsteilnehmer:innen z. B. über elektronische Tagebücher oder Wearables selbst. DI Matthias Loibl, BASG, stellte dazu zwei kürzlich veröffentlichte Guidelines, das „Recommendation Paper on decentralised elements in clinical trials“ und „Guideline on computerised Systems and eData“ vor, in denen Empfehlungen zu Monitoring, Datenspeicherung, Informed Consent etc. für Studiensponsoren und Prüfärzt:innen herausgearbeitet wurden.

Folgende Aspekte sollten bei der Verwendung dezentraler Elemente beachtet werden:

  • Orientierung an den Patient:innen – dazu gehört die Beurteilung des Aufwands vs. Nutzen, die Einbindung in die Studienplanung, Gewährleistung von Datenschutz und Datenintegrität, Wahlfreiheit in Bezug auf persönlichen oder telemedizinschen Support, aber auch die Beurteilung zu Möglichkeiten der Lagerung von Prüfpräparaten.
  • rechtliche Rahmenbedingungen sind einzuhalten.
  • erhöhte Risiken zum Einsatz dezentraler Studienelemente sollten bereits in der Studienplanung adressiert werden und alle Stakeholder eingebunden werden.
  • Die Verlagerung der Datensammlung vom Prüfzentrum zu den Prüfungsteilnehmer:innen erfordert besonderes Augenmerk in Bezug auf den Datenfluss, Maßnahmen zur Fehlerbehebung (Patient:innen sind Laien und können u.U. Daten fehlerhaft eingeben), Datenschutz, Datenzugriff oder die Validierung und Konfiguration elektronischer Systeme.
  • Computergestützte Systeme des Prüfzentrums sollten GCP-Anforderungen erfüllen.

Aktuelle Themen aus den Arbeitsgruppen: CTIS Naming Convention; Transparency Rules; IMPD-Q-only

Im folgenden Referat gab Dr. Strasser ein Update zu aktuellen Themen aus den Arbeitsgruppen wie den Assessor’s Round Table (ein niederschwelliges Gremium, das einmal wöchentlich zusammenkommt, um aktuelle Themen aus den Mitgliedsstaaten zu Fragen der Umsetzung der CTR zu besprechen), die CTCG Naming Convention, Interne „Best Practices“ zu Part I in Transitionsstudien sowie Q&As zum Thema Transparenz (z.B. Nutzen Mitgliedsstaaten dieselben Timelines? Welche CTIS-Dokumente müssen unterschrieben werden?). Strasser berichtet weiters über die „IMPD-Q-only Application“, die die Einreichung klinischer Studien über CTIS regelt, wenn der Studiensponsor nicht ident mit dem Produkthersteller ist und keinen Zugriff auf die Produktdaten hat bzw. haben soll.

Aufhebung der Meldeverordnung für Nicht-Interventionelle Studien

Im letzten Vortrag informierte Dr. Strasser über die Änderungen zur Meldepflicht von Nicht-interventionellen Studien (NIS). Mit Oktober 2022 wurde die Meldepflicht für NIS aufgehoben, daraus ergeben sich folgende Änderungen:

  • Off-Label Use in Nicht-Interventionellen Studien ist möglich, wenn die Anwendung in der „normalen klinischen Praxis“ in Österreich etabliert ist. Etabliert bedeutet, die evidenzbasierte Verwendung in Österreich zugelassener Prüfpräparate. Diese müssen durch veröffentlichte wissenschaftliche Erkenntnisse über Sicherheit und Wirksamkeit dieser Präparate bestätigt worden sein. Weiterhin dürfen keine Präparate verwendet werden, die in Österreich nicht zugelassen sind oder modifiziert wurden. Die Behandlungsstrategie darf nicht im Voraus festgelegt werden, der Einschluss in die Studie als Bedingung für die Behandlung gelten und keine zusätzlichen diagnostischen oder therapeutischen Maßnahmen und Belastungen für die Prüfungsteilnehmer:innen entstehen.
  • Retrospektive Datenauswertungen sind nicht mehr Teil des AMG: Sie sind keine klinischen Studien, da keine Untersuchungen am Menschen stattfinden und bereits vorliegende Daten ausgewertet werden. Das heißt, retrospektive Datenauswertungen sind möglich, wenn alle Maßnahmen in der Vergangenheit liegen und unter Rücksichtnahme auf die damals gültige Rechtslage und den Datenschutz erfolgt sind, die auszuwertenden Daten vollständig vorliegen und die Daten nicht mit der Absicht, sie in einer klinischen Studie auszuwerten, gesammelt wurden. Die Prüfung der formalen Kriterien erfolgt durch die Ethikkommission.
  • Registerstudien sind Datensammlungen, die einem bestimmten wissenschaftlichen Zweck dienen. Sie sind als klinische Studien oder NIS zu sehen, die Bewertung geschieht durch die zuständige Ethikkommission. Die Ausnahme sind Register zu Routinezwecken (nicht wissenschaftlicher Zweck wie z. B. Verrechnung). Werden diese Daten im Sinne eines „secondary use of data“ ausgewertet, gilt dies nicht als klinische Studie oder Prüfung am Menschen und unterliegt damit nicht der Zuständigkeit des BASG.
  • Biobanken dürfen mit prospektiven NIS oder retrospektiven Datenauswertungen verknüpft werden, sofern diese der gültigen Rechtslage entspricht.
  • Restproben, die nach klinisch induzierten Untersuchungen verbleiben, dürfen retrospektiv gemeinsam mit einer prospektiven NIS ausgewertet werden; der/die Prüfungsteilnehmer:in muss vorab zustimmen.

Für Medizinprodukte sind dieselben Regeln in Bezug auf retrospektive Datenauswertungen und Auswertung von Registern und Biobanken anzuwenden. Off-Label Use von Medizinprodukten außerhalb ihrer Zweckbestimmung ist nicht möglich und gilt als klinische Studie.

Offene Fragen nach dem Wegfall der NIS-Meldepflicht betreffen Themen wie Leitethikkommission, Versicherungspflichten, Vigilanz, Regeln zur Qualitätssicherung (Monitoring).

Download der Präsentationen hier.

Weiterführende Links:

Nationale Anforderungen an den Part II: https://me001ned.edis.at/ethikkommission/index_dwnld.html

Recommendation Paper on decentralised elements in clinical trials: https://health.ec.europa.eu/latest-updates/recommendation-paper-decentralised-elements-clinical-trials-2022-12-14_en

Guideline on computerised Systems and eData: https://www.ema.europa.eu/en/documents/regulatory-procedural-guideline/guideline-computerised-systems-electronic-data-clinical-trials_en.pdf

Document codes in CTIS: https://www.hma.eu/fileadmin/dateien/HMA_joint/00-_About_HMA/03-Working_Groups/CTCG/2022_09_CTCG_Instruction_naming_documents_CTIS_EU_v1.4.pdf

IMPD-Q-only Application: https://www.hma.eu/about-hma/working-groups/clinical-trials-coordination-group.html

Leitfaden zur Abgrenzung klinische Studie – nichtinterventionelle Studie – sonstige Studie: https://www.basg.gv.at/fileadmin/redakteure/06_Gesundheitsberufe/Klinische_Studien/NIS/Leitfaden_NIS_BMSGPK_BASG_2022-10-11_v01.pdf

 
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von links nach rechts: DI Matthias Loibl, BASG, Dr. Stefan Strasser, BASG, PD Johannes Pleiner, GPMed, Doz. Brunner, GPMed